Digitalisieren gerasterter Vorlagen

Problem

Wenn gedruckte, autotypisch (periodisch) gerasterte Bilder gescannt werden, entstehen durchweg mehr oder minder deutliche Moirés. Das sind Interferenzmuster, die durch Überlagerung von Rasterstruktur der Vorlage und Pixelmatrix der Abtastung zustande kommen. Das folgende Bild zeigt den Effekt sehr deutlich. Es wurde mit der Auflösung 100/inch, Maßstab 100 %, digitalisiert.

Bild mit Moiré, Auflösung 100/inch

Dieser Ausschnitt zeigt den entsprechenden Effekt bei der Auflösung 300/inch:

Bild mit Moiré,Auflösung 300/inch

Durch nachträgliches Bearbeiten mit einem digitalen Weichzeichnungs- oder Störungsfilter ist das Bild nicht zu retten – wie die folgenden Abbildungen eindrucksvoll zeigen. Hier wurde versucht, die Moirés mit dem Gaußschen Weichzeichner zu entfernen. Der Radius wurde so eingestellt, dass gerade kein Moiré mehr zu sehen ist. Die Bilder sind extrem unscharf und damit unbrauchbar.

Auflösung 100/inch, Moiré mit Gaußschem Weichzeichner entfernt Auflösung 300/inch, Moiré mit Gaußschem Weichzeichner entfernt

Entrasterungsfilter

Deutlich bessere Ergebnisse bringt das Entrasterungsfilter (Descreening-Filter) der Scansoftware. Nach dem Aktivieren des Filters wird die Rasterfrequenz der Vorlage im entsprechenden Dialogfenster eingetragen. Die Rasterfrequenz kann geschätzt werden; genauer und sicherer ist natürlich das Nachmessen mittels Rasterzähler. Die hier verwendete Vorlage hat die Rasterfrequenz 48/cm (120/inch).

Bei aktiviertem Entrasterungsfilter tastet der Scanner die Vorlage mit erheblich höherer Auflösung ab. Die Software rechnet das Bild dann mit einem interpolierenden Verfahren, das ähnlich wie ein (leichter) Weichzeichner wirkt, auf die endgültige Auflösung herunter.

Die Ergebnisse sind brauchbar: Die Moirés sind weitgehend verschwunden, die Bilder wirken aber noch recht scharf. Keine perfekten Bilder, aber durchaus akzeptable Kompromisslösungen.

Bild mit Entrasterungsfilter gescannt, Auflösung 100/inch Bild mit Entrasterungsfilter gescannt, Auflösung 300/inch

Nachträgliche Entrasterung mit Bildbearbeitungsprogrammen

Alternativ kann die Vorlage ohne Entrasterung mit erheblich höherer Auflösung gescannt werden. Im Bildbearbeitungsprogramm wird das Bild dann mit bikubischer Interpolation auf die endgültige Auflösung heruntergerechnet. Beim Scannen mit ausreichend hoher Auflösung wird die Rasterstruktur der Vorlage weitgehend unverfälscht abgebildet; Moiré entsteht dabei nicht.

Hier wurde die Vorlage mit 1200/inch abgetastet:

Bild mit Auflösung 1200/inch (Ausschnitt)

Die bikubische Interpolation von 1200/inch auf 100/inch bringt ein brauchbares Ergebnis. Die interpolationsbedingte Unschärfe (Weichzeichnung) lässt die Rasterstruktur verschwinden, ohne dass Moiré entsteht. Gegenüber dem mit Entrasterungsfilter digitalisierten Bild mit gleicher Auflösung ist praktisch kein Unterschied zu sehen.

Bild bikubisch interpoliert von 1200/inch auf 100/inch

Beim bikubischen Interpolieren von 1200/inch auf 300/inch bleibt dagegen die Rasterstruktur noch erhalten.

Bild bikubisch interpoliert von 1200/inch auf 300/inch

Bei der autotypisch gerasterten Ausgabe für den Druck entsteht Moiré, weil Rasterstruktur der Vorlage und Ausgaberaster einander überlagern. Im folgenden Bild ist dieser Effekt simuliert.

Simulation des Moirés im Druck

Die bei der bikubischen Interpolation von 1200/inch auf 300/inch verbliebene Rasterstruktur lässt sich mit dem Gaußschen Weichzeichner entfernen. Das Ergebnis ist ähnlich wie bei der Entrasterung mit Entrasterungsfilter.

Bild bikubisch interpoliert von 1200/inch auf 300/inch, mit Gaußschem Weichzeichner nachbearbeitet

Noch ein paar Tipps und Hinweise

Gedruckte Vorlagen sind nur eine Notlösung. Verglichen mit direkt von guten Dias oder Aufsichtsvorlagen gescannten Bildern oder guten Digitalfotos ist die Qualität immer erkennbar schlechter.

Das Entrasterungsfilter der Scansoftware dürfte in den meisten Fällen das beste Ergebnis bringen, jedenfalls aber kein schlechteres als andere Vorgehensweisen. Im Vergleich zu zeitaufwändigen Experimenten bei der nachträglichen Bildbearbeitung ist die Entrasterung beim Scannen das effizienteste Verfahren.

Bei sehr starker Verkleinerung tritt in der Regel kein Moiré auf. Wenn also zum Beispiel die Titelseite einer Zeitschrift in doppelter Briefmarkengröße auf einer Webseite gezeigt werden soll, besteht keine Moirégefahr.

Auf vergrößerte Wiedergabe sollte besser verzichtet werden. Bei Verkleinerungen und beim Maßstab 1 : 1 mag der mit der Entrasterung verbundene Schärfe- und Detailverlust noch hinnehmbar sein, bei Vergrößerungen springen die Mängel dagegen übermäßig deutlich ins Auge.

Bei Bildern, die ausschließlich zur Betrachtung am Monitor bestimmt sind, reicht die visuelle Püfung in jedem Fall aus. Was bei 1 : 1-Darstellung (Zoom 100 %) im Bildbearbeitungsprogramm gut aussieht, ist auch in Ordnung. Bei Bildern für den – insbesondere vierfarbigen – Druck kann es dagegen böse Überraschungen geben. Schwache, am Monitor kaum wahrnehmbare Strukturen können durch Überlagerung mit dem Raster bei der Ausgabe recht deutlich zum Vorschein kommen, wobei dieser Effekt in den vier Farbauszügen oft ungleich stark ist.

Durch leichtes Schärfen mittels USM-Filter (Unscharfmaskierung) können entrasterte Bilder noch etwas verbessert werden. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen noch einmal das mit Entrasterungsfilter digitalisierte Bild, Auflösung 100/inch, ohne Schärfung und darunter das in Photoshop mit USM-Filter bearbeitete.

Ungeschärftes Bild Mit USM geschärftes Bild

PS: Das Bild zeigt die Zweifarben-Offsetdruckmaschine PLANETA der Dresden-Leipziger-Schnellpressenfabrik, Baujahr 1923.

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