Gestaltgesetze

Der Begriff »Gestaltgesetz« verweist auf die am Beginn des 20. Jahrhunderts von Wertheimer, Köhler und Koffka begründete Gestaltpsychologie. Wenn allerdings heute in der Gestaltungslehre von Gestaltgesetzen die Rede ist, wird dieser theoretische Hintergrund weitgehend vernachlässigt. Gestaltgesetze werden hier schlicht als Beschreibungen bestimmter Eigenarten der menschlichen Wahrnehmung verstanden.

Die ursprünglich von Max Wertheimer formulierten Gestaltgesetze wurden vielfach abgewandelt, neu formuliert und durch weitere ergänzt, sodass durchaus Zweifel aufkommen können, was genau denn eigentlich »die Gestaltgesetze« sind. Im Folgenden werden nur die sechs wichtigsten Gestaltgesetze kurz dargestellt – absolute Vollständigkeit wird weder beansprucht noch angestrebt.

Gesetz der Nähe

Gleiche oder einander ähnliche Elemente mit geringeren Abständen werden als zusammengehörig wahrgenommen.

Gesetz der Nähe

Die roten Quadrate in der linken Grafik bilden senkrechte Spalten. Die jeweils untereinander stehenden Objekte werden als zusammengehörig wahrgenommen, weil die vertikalen Abstände deutlich geringer sind als die horizontalen. In der rechten Grafik werden jeweils zwei Linien aufgrund der geringeren Abstände als Linienpaaar oder Doppellinie wahrgenommen.

Gesetz der Ähnlichkeit

Gleiche oder einander ähnliche Elemente werden als zusammengehörig wahrgenommen.

Gesetz der Ähnlichkeit

In der linken Grafik bilden die Elemente waagerechte Reihen. Die jeweils nebeneinander stehenden Elemente werden aufgrund ihrer Gleichheit als zusammengehörig wahrgenommen, obwohl horizontale und vertikale Abstände gleich sind.

In der rechten Grafik werden insbesondere die sechs runden Elemente rechts unten als zusammengehörig wahrgenommen. Allerdings nicht allein aufgrund der Gleichheit – hier wirkt zugleich das Gesetz der Geschlossenheit.

Gesetz der Geschlossenheit

Elemente, die gemeinsam eine einfache Form (Quadrat, Rechteck, Dreieck, Kreis) einschließen, werden als zusammengehörig wahrgenommen.

Gesetz der Geschlossenheit

Prägnanzgesetz

Elemente, die sich von allen anderen unterscheiden, werden bevorzugt wahrgenommen.

Prägnanzgesetz

Gesetz der einfachen Gestalt

Mehrdeutige oder unvollständige Formen werden als einfache Formen (Quadrat, Rechteck, Dreieck, Kreis) wahrgenommen.

Gesetz der einfachen Getalt

Das cyanfarbene Element wird als – teilweise von den roten Rechtecken verdecktes – Quadrat wahrgenommen, nicht als Vieleck mit 14 Ecken.

Gesetz der einfachen Fortsetzung

Einander schneidende oder berührende oder teilweise verdeckte Linien werden so wahrgenommen, als folgten sie dem einfachsten, geradlinigen Weg.

Gesetz der einfachen Fortsetzung

Hier werden zwei durchgehende Linen wahrgenommen, die teilweise durch das Rechteck verdeckt sind – also nicht vier kurze Linienstücke und auch keine v-förmig geknickten Linien.

Schlussfolgerung

Die Aussagen der Gestaltgesetze mögen einigermaßen trivial erscheinen – sie beschreiben, was wir aus alltäglicher Erfahrung ohnehin wissen. Gleichwohl sollten sie als einfache Regeln bei jeder Gestaltungsaufgabe mitbedacht werden. Und zwar positiv wie negativ: Was inhaltlich zusammengehört, soll als zusammengehörig wahrgenommen werden; was nicht zusammengehört, soll nicht als zusammengehörig wahrgenommen werden.

Beispiele: Inhaltlich zusammengehörende Bilder und Grafiken in Büchern oder Zeitschriften sollten unmittelbar neben- oder untereinander angeordnet werden, zwischen inhaltlich nicht zusammengehörenden Bildern und Grafiken sollte ausreichender Weißraum oder Text stehen (Gesetz der Nähe). Wichtige Warnhinweise in einer Gebrauchsinformation müssen sich deutlich von allen übrigen Bild-, Grafik- und Textelementen unterscheiden (Prägnanzgesetz). Die inhaltliche Zusammengehörigkeit von Bildern oder Grafiken wird betont, wenn sie sich zu einer einfachen Form ergänzen oder eine einfache Form einschließen; inhaltlich nicht zusammengehörige Bilder oder Grafiken sollten sich folglich nicht zu einer einfachen Form ergänzen oder eine einfache Form einschließen (Gesetz der einfachen Gestalt, Gesetz der Geschlossenheit).

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